Bamberg – Es ist ein dickes Brett, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zusammen mit der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) da zu bohren hat. Beide fordern seit Jahren ein „Faire-Löhne-Gesetz“ für Bayern: Öffentliche Aufträge und staatliche Wirtschaftsförderung sollen künftig nur an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigten fair bezahlen. Fair, das heißt für DGB und KAB nach Tarif. Und jetzt, kurz vor der Landtagswahl im Oktober, haben Gewerkschaften und Gläubige Hoffnung, dass sich der bisherige Wildwuchs im Vergaberecht einhegen lässt. Das verdeutlichten bei einem Pressegespräch in Bamberg Mathias Eckardt, DGB-Regionsgeschäftsführer für Oberfranken, und Ralph Korschinsky, Geschäftsführer der KAB Bamberg.
Wie unterschiedlich die Regelungen für die Vergabe sind, lässt sich auch am Beispiel der Domstadt gut erklären. Aber der Reihe nach: Durchschnittlich 7 Milliarden Euro geben Freistaat, Gemeinden und Kommunen pro Jahr für öffentliche Aufträge aus, erklärte Mathias Eckardt. „Da sind Aufträge für die Kolleg*innen der Müllabfuhr, im öffentlichen Nahverkehr, bei der Reinigung der Rathäuser, der Security im Bamberger Ankerzentrum und anderen Bereichen.“ Wann immer die öffentliche Hand eine solche Aufgabe zu erledigen hat, schreibt sie sie aus; um den Zuschlag kann sich dann jedes interessierte Unternehmen bewerben. Ab einer gewissen Summe auch europaweit, erklärte Ralph Korschinsky. Zwar sollten bei der Vergabe solcher Aufträge seit 2018 auch soziale und ökologische Kriterien eine Rolle spielen, erfahrungsgemäß setze sich aber stets der Billigste durch. „Wir wollen nicht, dass mit 7 Milliarden Euro unseres Steuergeldes Lohndumping gefördert wird“, unterstrich Mathias Eckardt.
In 14 Bundesländern gibt es bereits ein Vergabegesetz, dass faire Bezahlung einschließt. Sachsen dürfte es in Kürze einführen, womit Bayern dann als einziges Bundesland ohne eine solche landesweite Regelung übrigbliebe. Vor-Ort-Regelungen gibt es nämlich durchaus schon jetzt. Und das ist auch KAB und DGB zu verdanken, die mit Bürgermeistern, Landräten und Mitarbeitern der Bezirksvergabestelle gesprochen haben, mit Kommunalpolitikern und Entscheidern. In manchen Städten hat das zum Erfolg geführt. Allerdings stellen sich die unterschiedlichen Vergabeordnungen nun als Flickenteppich dar: Jeder setzt andere Schwerpunkte und Kriterien. In Fürth zum Beispiel gehört Tariftreue nun fest zur Vergabeordnung, in Bamberg nur fast. „Hier steht noch das Wort ,sollte‘ vor dem Regelwerk zur Vergabe, ein ,Muss‘ wäre richtig“, erklärte Mathias Eckardt. Würzburg und Augsburg hätten sich auch schon auf die verbindliche Traiftreue festgelegt, zusammen mit anderen Punkten, ergänzte Ralph Korschinsky. „Der Weg über die Kommunen ist steinig, aber wir setzen die Ochsentour fort, bis es ein Landesgesetz gibt, auch über die Landtagswahlen hinaus“, kündigt der KAB-Geschäftsführer an.
Aber das Gesetz dürfe nicht mit stumpfem Schwert daherkommen. Besonders wichtig ist ihm in diesem Zusammenhang auch eine Kontrollinstanz. „Schon jetzt vergeben viele nur an Betriebe, die sagen, dass sie faire Arbeitsbedingungen haben. Ob das wirklich so ist, wird aber nicht kontrolliert“, bedauerte Ralph Korschinsky. Mathias Eckardt erläuterte das beispielhaft: „Häufig bekommen Unternehmen den Zuschlag, die auch wirklich gute Bedingungen bieten – und die reichen den Auftrag dann aber an ein Subunternehmen weiter, bei dem es nicht mehr gut aussieht.“ Solche Praktiken müssten durch eine Kontrollinstanz bis ans Ende der Dienstleistungskette unterbunden werden, auch wenn das mehr Aufwand bedeute, so Ralph Korschinsky. Die zusätzliche Bürokratie dürfte sich lohnen: Der DGB hat ermittelt, dass die sinkende Tarifbindung in Bayern die öffentlichen Kassen und damit die Bürger durch Mindereinnahmen alljährlich 3,6 Milliarden Euro in den Sozialversicherungen kostet, zusätzlich 1,3 Milliarden Euro bei der Einkommenssteuer für Land und Kommunen. Dazu kommen noch 4,9 Milliarden Euro Kaufkraftverlust. Deshalb müssten politische Anreize geschaffen werden, um mehr Betriebe in die Tarifbindung zu bekommen.
Insgesamt versprechen sich DGB und KAB vom „Faire-Löhne-Gesetz“ in Bayern neben höheren Löhnen für Beschäftigte vor allem die Bevorzugung regionaler Unternehmen und die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien. Dafür soll es auch ein Beratungsangebot für Kommunen und Anbieter geben. In der Folge erwarten die Gewerkschaften den Wegfall staatlich geförderten Lohndumpings, einen verantwortungsvollen Einsatz von Steuergeldern, eine steigende Qualität bei der Ausführung der Aufträge, mehr Geld in den öffentlichen Kassen, weniger Ausgaben im Jobcenter und steigende Kaufkraft bei den Beschäftigten.
Dass das Thema Tariftreue bei Aufträgen der öffentlichen Hand inzwischen auch im politischen Umfeld angekommen ist, stellte Ralph Korschinsky fest. „Unsere Aktionen, die Öffentlichkeitsarbeit aber auch unsere Gespräche mit Politikern und Entscheidern vor Ort haben ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass hier etwas fehlt.“ Nun gebe es Hoffnung – dass der Bamberger Stadtrat aus dem „Sollte“ ein „Muss“ in der Vergabeordnung macht; und dass Bayern Ja sagt zum „Faire-Löhne-Gesetz“.