KAB Bamberg
Sonntag muss Sonntag bleiben
Der Sonntag ist kein Tag wie jeder andere. Immer stärker verbreitet sich jedoch inzwischen die Neigung, die wirtschaftlichen Interessen und die ökonomische Betrachtungsweise absolut zu setzen und ihnen alle Dimensionen des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens unterzuordnen. Dadurch geraten die Sonn- und Feiertage als Perioden der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung stark unter Druck. Seit Jahren vollzieht sich eine schleichende Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Immer mehr Bereiche werden für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen vereinnahmt. Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass eine Sonntagsöffnung durch die Verbraucher und Verbraucherinnen nicht genutzt worden ist, trotz Ausnahmegenehmigung. Viele haben verstanden, dass die Beschäftigten im Einzelhandel den freien Sonntag brauchen.
Die Lockerung des Sonn- und Feiertagsschutzes bedeutet einen erheblichen Einschnitt. In vielen Fällen gehen der Zulassung Verstöße gegen Verbote voraus, durch die das geltende Recht in Frage gestellt werden soll. Der Sonntag verkörpert traditionell die Freiheit des Menschen von einer rein ökonomisch orientierten Lebensweise. An diesem Tag steht einmal nicht im Vordergrund, was ein Mensch leistet. Vielmehr geht es um das, was jeder zu einem Leben für sich und in der Gemeinschaft mit anderen benötigt. Die Sonn- und Feiertage sind ein zentrales Moment in der Zeitorganisation von Staat und Gesellschaft und schaffen einen verbindlichen Ordnungsrahmen für den kollektiven Zeitrhythmus in allen Lebensbereichen. Durch den Begriff „seelische Erhebung“ statuiert die Verfassung ein grundsätzliches Arbeitsverbot an diesen Tagen. Über die bloße Unterbrechung des Arbeitsrhythmus hinaus ist eine Ausgestaltung des öffentlichen Lebens gefordert, die auch positiv zu dieser Erhebung befähigt. Das natürliche Bedürfnis des Menschen nach Erholung, Muße und Freizeit lässt sich nur in einer für alle gemeinsamen Ruhezeit befriedigen. Dass eine ganze Gesellschaft zur selben Zeit gemeinsam innehält, ist alles andere als unzeitgemäß. In einer immer hektischer werdenden Zeit ist der Sonntag auch wegen seiner langen Tradition eine Institution, die auf eine weitere Zukunft bauen kann.
Unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 01.12.2009 ergeben sich erhebliche Auswirkungen bei der rechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit, sowohl unter dem Aspekt des Sonntagsschutzes – der nicht auf Religionsfreiheit begrenzt werden darf – sowie des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit gem. Art 2 Abs. 2 GG als Pflicht des Staates für Ehe und Familie, aus Art. 6 Abs. 1 GG und schließlich – hinsichtlich der Bedeutung des kollektiven freien Sonntags als einheitlich freien Tag für die Voraussetzungen von Versammlungen etc. Insbesondere führt das Bundesverfassungsgericht aus, das neben der religiösen Funktion des freien Sonntages noch einmal explizit die soziale Bedeutung des Sonntages – und der damit verbundenen Taktung des sozialen Lebens – grundlegende Bedeutung zukommt.
Hier hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere die wesentliche Bedeutung der kollektiven ganztägigen Ruhe betont, wobei es auch auf die nachteiligen sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen der Sonntagsarbeit sehr kritisch eingegangen ist. Ferner hat es deutlich gemacht, dass Sonntagsöffnung mehr als andere Betätigungen die allgemeine Sonntagsruhe beeinträchtigt.
Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Az.8 CN 2.14), vom 11.11.2015, ist eine Sonntagsöffnung mit uneingeschränktem Warenangebot aus Anlass einer Veranstaltung (Markt) nur zulässig, wenn die Veranstaltung selbst für den Sonntag prägend ist. Die Sonntagsöffnung darf also nach den gesamten Umständen lediglich eine untergeordnete Bedeutung zur Anlassveranstaltung spielen. Dabei hat es ausdrücklich festgestellt, dass rein wirtschaftliche Interessen für Händler oder ein alltägliches Einkaufsinteresse der Kunden, eine Öffnung der Geschäfte an Sonntagen nicht rechtfertigt! Ebenso fehlt eine Prognose der Besucherzahlen und eine ausreichende Eingrenzung des Gebietes, in dem Geschäfte öffnen sollen. Damit gibt es rechtlich keinerlei Grundlage für den Antrag auf drei verkaufsoffene Sonntage in Hirschaid.
Darüber hinaus hat der 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2020 (BVerwG 8 CN 1. 19) nochmals die geltende Rechtslage bekräftigt und weiter konkretisiert. Das Gericht hat nachfolgende Leitsätze formuliert:
- Eine gesetzliche Ermächtigung zu Sonntagsöffnungen genügt dem verfassungsrechtlich geforderten Mindestniveau des Sonntagsschutzes gemäß Art. 140 GG i.V. m. Art. 139 WRV nicht schon, wenn sie die Zahl der jährlich zulässigen gebietsweiten Öffnungen auf drei beschränkt, aber eine vielfache Zahl räumlich beschränkter, abwechselnder Öffnungen im selben Gemeindegebiet zulässt.
- Der Gesetzgeber darf nur zu Sonntagsöffnungen ermächtigen, die jeweils durch einen zureichenden Sachgrund von einem Gewicht getragen werden, das den zeitlichen und räumlichen Umfang der Öffnung rechtfertigt. Die Seltenheit einer zulässigen Sonntagsöffnung kann das Fehlen eines zureichenden Sachgrundes nicht ausgleichen.
- Anlassbezogene Sonntagsöffnungen müssen sich stets als Annex zur anlassgebenden Veranstaltung darstellen. Sie dürfen nur zugelassen werden, wenn die dem zuständigen Organ bei der Entscheidung über die Sonntagsöffnung vorliegenden Informationen und die ihm sonst bekannten Umstände die schlüssige und nachvollziehbare Prognose erlauben, die Zahl der von der Veranstaltung selbst angezogenen Besucher werde größer sein als die ZaM derjenigen, die allein wegen einer Ladenöffnung am selben Tag - ohne die Veranstaltung - kämen (prognostischer Besucherzahlenvergleich; wie BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 8 CN 1. 17 - BVerwGE 164, 64 Rn. 19 und 21 f. ).
- Anlassbezogene Sonntagsöffnungen müssen in der Regel auf das räumliche Umfeld der Anlassveranstaltung beschränkt werden. Dieses Umfeld wird durch die Ausstrahlungswirkung der Veranstaltung bestimmt und entspricht dem Gebiet, das durch das Veranstaltungsgeschehen selbst - und nicht allein durch den Ziel- und Quellverkehr oder Werbemaßnahmen für die Veranstaltung - geprägt wird (Fortführung von BVerwG, Urteile vom il. November 2015 - 8 CN 2.14 - BVerwGE 153, 183 Rn. 25 und vom 12. Dezember 2018 - 8 CN 1. 17 - BVerwGE 164, 64 Rn. 20).
Verkaufsoffene Sonntage werden schon seit Jahren von großen Unternehmen dazu genutzt kleine und mittelständisch Betriebe aus dem Markt zu drängen.
Diese großen Unternehmen haben inzwischen einen florierenden Online-Handel und profitieren von einem verkaufsoffenen Sonntag doppelt, die kleinen Geschäfte nicht. Umsatz wird nicht mehr vom Kunden, sondern vom Mitwettbewerber geholt.
Finanziert wird dies ausnahmslos durch Personalkostenreduzierung in allen Formen und massiven Kostendruck in der Wertschöpfungskette.
Eine weitere Ausweitung der Öffnungszeiten in die Nacht und den Sonntag führt zu höheren Kosten. Diese höheren Kosten wurden und werden hauptsächlich durch Personalabbau kompensiert. Die Betriebe, welche sich die Öffnungszeit nicht leisten können, werden weitere Umsatzverluste haben und ebenfalls Personal abbauen. Durch eine weitere Verlängerung der Ladenöffnungszeiten wird der Verdrängungswettbewerb weiter an Dynamik zunehmen. Dabei wird im Wettlauf um niedrigere Kosten der Druck auf die Einkommen der Einzelhandels-beschäftigten weiter angeheizt. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass sich viele klein- und mittelständische Unternehmen keine verlängerten Öffnungszeiten leisten können und wollen. Die Folgen sind noch mehr Insolvenzen im Einzelhandel und weitere Betriebe sterben. Es wird keine Gewinner, aber viele Verlierer geben.